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Avers

Politische Gemeinde und Kreis des Kantons Graubünden, Bezirk Hinterrhein. Das Siedlungsbild wird durch Einzelhöfe und Weiler geprägt, darunter Cresta, das politische und kirchliche Zentrum, und Juf, die höchst gelegene Dauersiedlung Europas auf 2126 m. Die Gemeinde umfasst das Tal des Jufer bzw. Averser Rheins sowie die Seitentäler Madris und Bergalga. 1292 Anue (Avre?), 1354 Auers, romanisch Avras. 1645 498 Einwohner; 1850 293; 1900 204; 1950 167; 1960 270; 2000 160.

Eine Rundnackenaxt (Ende Jungsteinzeit) und drei Grabfunde (3.-6. Jh. n.Chr.) weisen auf früheste menschliche Anwesenheit hin, doch ist das Tal wohl erst vom 11. Jahrhundert an durch das Hospiz St. Peter auf dem Septimerpass mit einer romanischen Bevölkerung besiedelt worden. Nach 1280 trafen aus dem Pomat stammende deutschsprachige Walser ein, die sich zunächst nur auf der obersten Talstufe niederliessen. Bis 1310-1320 breiteten sie sich über das ganze Tal aus und verdrängten die romanische Bevölkerung und deren Sprache. Die Walsersiedlung stand anfänglich unter Schutz der Stadt Como, im frühen 14. Jahrhundert wurde das Bistum Chur Landesherr. Im Rahmen des Gotteshausbundes (ab 1367) verselbstständigte sich Avers, schloss 1498 ein Bündnis mit der Eidgenossenschaft und war ab 1524-1526 Teil der Drei Bünde. Neben der wohl aus dem frühen 14. Jahrhundert stammenden Pfarrkirche in Cresta (ursprünglich wohl St. Theodul-, eventuell St. Nikolaus-Patrozinium) standen in Madris und eventuell in Cröt Kapellen. 1525-1530 trat Avers zur Reformation über. Die Gemeindebildung ist eventuell schon für 1292, sicher für 1377 belegt (Gerichtsgemeinde). Die Landbücher von 1622 und 1644 stellen Erneuerungen älterer Statuten dar. Bis 1867 war das Rathaus Gerichtssitz. 1652-1664 war Avers Schauplatz mehrerer Hexenprozesse und -hinrichtungen. Seit 1851 ist Avers Gemeinde und Kreis, seit 1902 auch eigener Wahlkreis, was dem Tal eine ständige Vertretung im Grossen Rat sichert. Auf der Basis von Einzelsennerei und Korporationssystem wurde Vieh- und Alpwirtschaft betrieben. Der Viehhandel orientierte sich bis Mitte des 19. Jahrhunderts über die Pässe Forcellina und Septimer nach Süden (oberitalienische Städte). Bereits im 17. Jahrhundert auftretende krisenhafte Erscheinungen (Verschuldung, zahlreiche Verpachtungen an die Familie von Salis, Bevölkerungsrückgang) erreichten im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt.

1895 erfolgte mit dem Strassenbau der Anschluss an das kantonale Verkehrsnetz, doch setzte erst mit dem Bau des Staubeckens im Valle di Lei 1958-1963 (Wasserzinsen, Stromversorgung, Ausbau der Zufahrtsstrasse zur A 13) ein Aufschwung ein. Ausser in der durch die Stiftung Pro Avers geförderten Landwirtschaft findet die Bevölkerung von Avers dank Sommer- und zunehmend auch Wintertourismus (v.a. Privatquartiere) weitere Erwerbsmöglichkeiten.

Quellen und Literatur

  • H. Weber, Avers, 1985
  • H. Weber, «Die Walserkolonie des Avers», in BM, 1987, 198-212
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Zitiervorschlag

Hermann Weber: "Avers", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.09.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001495/2009-09-03/, konsultiert am 19.03.2024.