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Hausrecht

Das Hausrecht betrifft die umfriedete Hofstätte samt darauf stehenden Wohn- und Wirtschaftsgebäuden. Es bedeutet die Haus- und Schirmgewalt (mittelhochdeutsch munt) des Hausherrn über den Haushalt, den besonderen Hausfrieden sowie das Wohnrecht in einem Haus. Zum einen wird im Hausrecht der Kern des grundherrlichen Hofrechts gesehen. Zum andern war der Besitz eines selbst genutzten Hauses nach mittelalterlichem und frühneuzeitlichem Dorfrecht eine Voraussetzung, um an den sogenannten Gerechtigkeiten oder Rechtsamen (Nutzungsrechte) teilzuhaben.

Allgemeines Hausrecht

Die Haus- und Schirmgewalt des Hausherrn umfasste vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert ein Strafrecht über die Hausgenossen, das Recht auf Züchtigung von Ehefrau, Kindern, Gesinde und Lehrlingen (nicht aber Gesellen) ohne Einmischung der öffentlichen Gewalt. Im Mittelalter schloss das Hausrecht die Tötung der beim Ehebruch ertappten Ehefrau ein (die entsprechende Bestimmung in der Berner Ehegerichtssatzung von 1787 war aber nur noch "toter Buchstabe"). War der Hausherr im Mittelalter noch befugt, in Notlagen Hausgenossen zu verkaufen, so blieb ihm von dieser Befugnis bis ins 18. Jahrhundert das Recht, Töchter zu verheiraten. Dem Hausherrn kam ein Aufsichtsrecht über das sittliche Verhalten der Hausgenossen zu, unter anderem durfte er sie zum Kirchgang anhalten und ihnen das Wirtshaus verbieten. Andererseits war er zum Unterhalt der Hausgenossen verpflichtet, verwaltete treuhänderisch deren Vermögen und vertrat sie gegen aussen, zum Beispiel vor Gericht. Der Hausherr haftete auch für Delikte der Hausgenossen und für deren Schulden, ausser wenn diese trotz seinem Verbot angefallen waren (z.B. Spielschulden). Ausserdem trug er die Verantwortung für Schäden, etwa bei Bränden, die von seinem Haus ausgingen. Beging er selbst ein Offizialdelikt, verwirkte der Hausherr als Geächteter das Hausrecht; sein Haus konnte zerstört werden. So wurden Adligen, die den Landfrieden gebrochen hatten, zum Zeichen des verlorenen Hausrechts die Burgen gebrochen. Der Inhalt der Hausgewalt war in der Regel ungeschriebener Brauch. Nur bei Häusern mit öffentlichen Funktionen (u.a. Mühlen, Bäder, Gasthäuser) wurde er aufgrund der wechselnden Kundschaft schriftlich festgehalten.

Den Hausfrieden schützten sowohl die Landfriedensordnungen des 12. und 13. Jahrhunderts wie auch alle Stadtrechte. Sie belegten Hausfriedensbruch – vom blossen Eindringen bis zu Hausbeschädigung und Raub – mit hohen Geldstrafen und Verbannung. Das Hausrecht erlaubte es Hausherrn und Genossen, sich gegen Eindringlinge und Diebe zu wehren. Vom 15. Jahrhundert an geboten Stadtrechte die richterlich verfügte Pfandnahme im Haus des Schuldners durch den Weibel und ersetzten somit die eigenmächtige Pfändung durch den amtlichen Eingriff ins Hausrecht des Schuldners. Als gesteigerter Hausfriede kann das Freistattrecht für Verfolgte (Asyl) gelten.

Während mittelalterliche Strafvorschriften und das Verteidigungsrecht des Hausherrn dem Schutz des Hauses dienten, schützte das Hausrecht vom 15. Jahrhundert an vermehrt die Person. Heute garantiert die Bundesverfassung im Rahmen der Grundrechte jeder Person die Achtung ihrer Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 Bundesverfasssung). Die Verletzung des Hausrechts, der Hausfriedensbruch, wird als Antragsdelikt mit Gefängnis und Busse geahndet (Artikel 186 Strafgesetzbuch). Die Hausgewalt des Hausvaters hat sich in einem langen Prozess zur Eigenverantwortlichkeit in der Familie gewandelt, folglich wird das Hausrecht im Rahmen der Familiengemeinschaft geregelt (Artikel 331-334 Zivilgesetzbuch).

Adlige Hausordnungen und Hausgesetze

Hochadlige Familien legten vom Spätmittelalter an für ihr eigenes Familien-, Vermögens- und Erbrecht besondere Normen fest, die auf ihren Haus- und Standesgewohnheiten beruhten. In Ordnungen und Verträgen regelten sie unter anderem Rechtsnachfolge, Eherecht, Vormundschaft, Unveräusserlichkeit des Stammguts und Linienteilungen. Die Entwicklung dynastischen Denkens, wie sie sich im adligen Hausrecht zeigt, ist für den Adel im schweizerischen Gebiet nur ansatzweise erforscht. Formelle Familienverträge sind kaum überliefert. Vieles wurde, wie zum Beispiel bei den Grafen von Toggenburg oder Werdenberg, in Urkunden zu Teilungen bzw. zu Besitz in Gesamthand (Gemeinderschaft) geregelt.

Bekannt sind die Normen des Hauses Habsburg. Hier bekräftigte König Rudolf I. noch 1281 bei der Belehnung seiner Söhne mit den österreichischen Herzogtümern die Gesamthand. Bereits 1283 legte jedoch die Rheinfelder Hausordnung eine eingeschränkte Gesamthandregierung unter dem Vorrang des ältesten Bruders und mit klar aufgeteilten Zuständigkeiten in der Verwaltung fest. Der Vertrag von Neuberg leitete dann 1379 eine Reihe von Realteilungen mit Linientrennungen ein.

Im Haus Savoyen galt das im französischen Raum verbreitete Prinzip der Primogenitur mit lehnsrechtlicher Oberherrschaft des ältesten Sohnes und Abfindung der nachgeborenen Brüder mit Apanagen. Familien mit weniger ausgeprägtem dynastischem Bewusstsein hielten an alten hausrechtlichen Strategien fest: Erbgänge mit definitiver Aufteilung der Stammgüter finden sich bei grösseren Geschlechtern häufig, blosse Verwaltungsteilungen mit Gesamthand dagegen selten. Die Sicherung der männlichen Nachfolge stand im Denken des 13. Jahrhunderts meist vor der Sorge um die materielle Herrschaftsgrundlage. Infolge der grossen Kinderzahl war eine frühzeitige Festlegung der familialen Rollen durch das Familienoberhaupt üblich, nämlich Heiratsverbot und klerikale Laufbahnen bei (erzwungenem) Erbverzicht für die überzähligen Söhne und für viele Töchter. In der frühen Neuzeit suchten Patrizier und vermögende Bürger, die nicht mit den Herrschaftsrechten des Hochadels ausgestattet waren, ihre Erbstrategien mittels Fideikommiss umzusetzen.

Quellen und Literatur

  • H. Rennefahrt, Grundzüge der bern. Rechtsgesch. 2, 1931, 3-15
  • B. Meyer, «Stud. zum habsburg. Hausrecht», in ZSG 25, 1945, 153-176; 27, 1947, 30-60, 273-323
  • HRG 1, 2022-2033; 3, 1966-1970
  • LexMA 4, 1964-1970
  • K.-H. Spiess, Fam. und Verwandtschaft im dt. Hochadel des SpätMA, 1993
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler; Franziska Hälg-Steffen: "Hausrecht", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 31.08.2006. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/025618/2006-08-31/, konsultiert am 29.03.2024.